Donnerstag, 5. Februar 2009

Schweizer Höflichkeit und die direkte Deutsche Art. Oder warum Deutsche arrogant sind.




Fragt man "den Schweizer" was er über "den Deutschen" denkt, fällt die immer gleiche Antwort: "Sie wären arrogant". Beispielsweise sieht man das hier sehr gut. Es wird nicht gefragt, ob wir arrogant seien, sondern schon davon ausgegangen das wir Deutschen es wären.
Ich habe in meinem ganzen Leben noch nie gehört, ich wäre arrogant. Bis ich in die Schweiz kam. Woran das liegt, muss natürlich geklärt werden.
Ich denke, eine Sache ist die Schweizer Höflichkeit, die für mich sehr umständlich zu erlernen ist. So viel "Bitte", "Danke" "könntest du mal" habe ich in meinem Leben noch nicht gehört (ich arbeite nicht umsonst mit diesen Superlativen). "Die Deutschen sind, im Vergleich zu vielen anderen Nationen sehr wortkarg und sparsam mit Höflichkeitsfloskeln. Daher werden wir von Bewohnern anderer Länder oft als unhöflich empfunden, selbst wenn wir glauben, ausgesucht höflich zu sein. Und das wird oft auf Arroganz zurückgeführt, selbst wenn derjenige vielleicht ein durch und durch liebenswerter Mensch ist. So ruinieren wir uns unseren Ruf in der Welt, ohne es zu merken." Von der oben verlinkten Website geklaut.
Ein Beispiel:
Ich arbeitete eine Zeit lang auf einem Schweizer Bauernhof. Dort wurde ich dann einmal von der Bauersfrau gefragt, ob ich denn am Sonntag ausschlafen möchte. Ich, als Norddeutscher, denke mir nichts weiter dabei und nehme die Frage wörtlich. Also antworte ich mit: Ja, selbstverständlich
Großer Fehler:
Die Bauersfrau war innert weniger als einer Sekunde aufgebracht. Sie schrie mich an, was mir überhaupt einfalle, ob ich noch ganz richtig sei, etc. pp. Glücklicherweise saßen ihre Kinder mit am Tisch, die teilweise schon in Deutschland waren, und über mehr interkulturelle Kompetenzen verfügten. Sie beruhigten ihre Mutter und erklärten mir die Lage.
Als Deutscher ist man es gewohnt folgendermaßen aufzufordern/aufgefordert zu werden: "Mach das!". Einem Schweizer würde dagegen sagen "Könntest du das mal bitte machen?". Gemeint ist aber: "Mach das!". Sagt man einem Schweizer "Mach das!" fühlt er sich wohl verarscht, und denkt man sei ein arrogantes Arschloch.
Bei Telefonaten tritt dieses Problem besonders verschärft auf.
In Deutschland wird so telefoniert:
[tuut] - Angerufener stellt sich vor - Anrufer stellt sich vor, sagt dann was er will
In der Schweiz läuft das anders:
[tuut] - Angerufener stellt sich vor - Anrufer begrüßt Angerufenen, stellt sich vor - Angerufener fragt: "Was kann ich für sie tun?" - Anrufer bringt sein Anliegen hervor
Ruft ein Schweizer jetzt einen Deutschen an, führt das schonmal zu Komplikationen:
[tuut] - Deutscher stellt sich vor - Schweizer begrüßt Deutschen, stellt sich vor - Deutscher wundert sich warum der andere nix sagt - Schweizer wundert sich warum Deutscher nix sagt - Einer von beiden fragt irgendwann: "Hallo, sind sie noch dran?"
Das wäre jetzt ein Missverständnis, das beide Seiten noch witzig finden könnten, genügend Humor vorrausgesetzt. Andersherum wird die Sache schon problematischer:
[tuut] - Schweizer stellt sich vor - Deutscher stellt sich vor - Schweizer wundert sich warum er nicht begrüßt wurde, will fragen was er für ihn tun kann, doch oh Schreck - der Deutsche redet ohne Rücksicht auf den Schweizer weiter, mit seinem Anliegen
Jetzt fühlt sich der Schweizer natürlich verarscht und meint, der Deutsche wäre ein arrogantes Arschloch. Dumm gelaufen für den Deutschen, der nicht einmal merkt wie er sich selber in die Pfanne gehauen hat.
Wer also quasi "Instant" zum arroganten Arschloch werden will, mache folgendes: Nimm das Telefon, und tippe eine beliebige ergoogelte Telefonnummer heraus, die mit 0041 anfängt. Viel Spaß.
Dass die Schweizer noch dazu eine recht verkrampfte Einstellung zum Hochdeutschen haben, die wiederum auf die Deutschen zurückreflektiert (was die Deutschen, ohne dass die Schweizer es merken, stark verunsichert), und sich nur über die Schwächen, nicht die Stärken der Schweizer Mundart im Klaren sind, lässt sich auch wunderbar nachweisen. Da ich dazu zu faul bin, verlinke ich mal auf etwas bestehendes. Sehr schöner Text.

5 Kommentare:

  1. schweizer ist nicht gleich schweizer
    deutscher ist nicht gleich deutscher
    gottseidank

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  2. Ja gut, aber die sozialen Normen in der Schweiz entsprechen nicht hundertprozentig den Deutschen. Deshalb gibt es da schon Reibungsflächen, ob man will oder nicht.

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  3. Ich denke nicht, dass Deutsche per se arroganter seien als Schweizer. Und Briten sind ebenso nicht arroganter als Franzosen und Franzosen nicht arroganter als Spanier usw usw.

    Denn 1. : Arroganz ist eine Charaktersache. Doch der Vollständigkeits halber sei aus dem psychologischen Standpunkt heraus gesagt, dass Arroganz nicht zwingend im Charakter verankert sein muss, sondern ebenso auch situativ, also "temporär" auftreten kann.

    Zum 2. : Die in der Schweiz an Deutschen oft bemängelte Arroganz hat zwei Ursachen :
    - die Sprache. Für Schweizer klingt das typische Deutsch oft zu "schneidend".
    - Die schweizer Mentalität zeichnet sich durch Zurückhaltung nach aussen hin und Distanziertheit aus. Diese Prämisse im im soziologischen Sinn zu verstehen.
    Diese Zurückhaltung nach aussen hin betrifft in erster Linie fremde Personen. Bei vertrauten Personen wird diese Zurückhaltung jedoch in der Regel weggelassen. Dies vermittelt eine vermeintliche Freundlichkeit im Umgangston unter sich eher fremden Personen.

    Die deutsche Mentalität zeichnet sich hingegen durch den Aspekt "Systemkritik" aus. "Systemkritik" im allgemeinen Sinn verstanden.
    Aus diesen beiden Hauptgründen (die ja von den Individuen abhängig sind!) können die Mentalitäten kollidieren.
    Mentalitätsunterschiede treten in der Regel dan hervor, wenn sich die sich begegnenden Individuen ihrer kulturellen Identität sehr bewusst sind. Und je mehr ein Individuum sich durch seine Herkunft identifiziert, desto grösser diese Wirkung.

    Herkunft sagt nun mal nichts über das Mass von Arroganz oder anderen charakterlichen Attributen aus.
    Für mich selber ist stets der jeweilige Umgangston entscheidend. Ob "arrogant" oder "freundlich", beides ist immer eine Frage des persönlichen Umgangstons und nicht pauschal der von Herkunft, Mentalität usw.

    Menschen wirken nicht nur auf andere, sondern sie möchten oftmals auch wirken. Alleine diese Prämisse beinhaltet einige wesentliche Aspekte. Abschliessend (gerade im Bezug auf die geschilderte Situation mit der Bäuerin) sei noch erwähnt, dass zur Schau gestellte (nach aussen hin) Freundlichkeit nicht zwingend gut motiviert sein muss. Freundlichkeit ist also nicht zwingend altruistisch.

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  4. ps : ein paar Tippfehler haben sich da reingeschlichen. ZB "im im", statt "ist im".

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  5. Hallo,
    ich schreibe meine Masterarbeit über Telefoneröffnungen in der Schweiz und in Deutschland. Anlass für dieses Thema war dein Blogartikel, den ich auch gerne zitieren möchte. Leider finde ich nirgendwo deinen Name und möchte fragen, ob du ihn mir geben würdest? Auch nur ein Vorname und der Anfangsbuchstabe deines Nachnamens würde reichen. Ansonsten würdest du anonym bleiben, was natürlich auch geht. Gerne schicke ich dir auch die Ergebnisse meiner Arbeit, falls du daran interessiert bist. Vielen Dank und herzliche Grüße,
    Ella W.

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